Ausgabe Nr. 1/2025

29 Nr. 1 | 2025 FAHRZEUGE UND TECHNIK Das meint der Experte Routiers: Weshalb ist es um die Wasserstoffmobilität in den letzten Jahren still geworden? Christian Bach: Wasserstoffanwendungen sind regulatorisch, technisch und wirtschaftlich sehr anspruchsvoll. Eine der grossen Herausforderungen sind die Stromkosten, die sich in letzter Zeit deutlich erhöht haben. Damit hat sich der Business Case für Wasserstoff merklich abgekühlt. Zudem fehlt der politischen und wirtschaftlichen Schweiz eine klare Vision zu Wasserstoff. Die Wasserstoffproduktion würde den Wechsel auf ein regeneratives Energiesystem eigentlich stark unterstützen, weil Stromüberschüsse nutzbar gemacht werden könnten. Solange aber die Meinung vorherrscht, dass die Produktion von erneuerbarem Strom das wichtigste Element für die Transformation des Stromsystems darstellt und nicht dessen Integration, wird sich ein nachhaltiges Wasserstoffsystem kaum realisieren lassen. Könnte man nicht auch sagen, dass eine andere Technologie die Wasserstoffmobilität überholt hat? Nein, aber die Konkurrenz ist stärker geworden. Zum einen sind batterieelektrische Lastwagen zunehmend auch für grössere Lasten und längere Distanzen einsetzbar und zum anderen ist auch klar, dass für den internationalen Güterverkehr in vielen Ländern schlicht die Infrastrukturen, sowohl auf der Strom- wie auch auf der Wasserstoffseite, fehlen. Insgesamt konkurrieren sich batterie- und brennstoffzellenelektrische Lastwagen deshalb aktuell hauptsächlich im nationalen Güterverkehr. Entscheidend werden wohl die lokalen Gegebenheiten bei den Lastwagendepots sein. Wenn eine geeignete Anbindung an die Mittelspannungsebene verfügbar ist, um eine ausreichende Ladeinfrastruktur aufzubauen, sind elektrische Lastwagen im Vorteil. Ist das nicht oder nicht im erforderlichen Umfang der Fall, haben Wasserstofflastwagen die Nase vorn. Von den geplanten 1600 Hyundai- FuelCell-Lkw sind heute aber nur gerade 50 in der Schweiz unterwegs. Wie beurteilen Sie dies? Die Inverkehrsetzung von 1600 Lastwagen innerhalb weniger Jahre war und ist sicher ein sehr ambitioniertes Ziel – allerdings wäre INTERVIEW: FABIENNE REINHARD FOTO: DANIEL VON KÄNEL es ohne ambitionierte Zielsetzung vielleicht gar nicht zu diesem Projekt gekommen. Klar ist auch, dass die Einführung neuer, komplexer Systeme immer mit Aufs und Abs verbunden ist. Sehen Sie denn noch Chancen für die Wasserstoffmobilität im Transportwesen? Die aktuellen Wasserstoffpreise, das (noch) geringe Angebot an Wasserstofflastwagen und der fehlende Wettbewerb von Wasserstoffanbietern beflügeln den Marktaufbau natürlich nicht. Auf der anderen Seite müssen neu in Verkehr gesetzte Lastwagen in der Schweiz ab dem nächsten Jahr CO2-Zielwerte einhalten, um Sanktionen zu umgehen. Die CO2-Gesetzgebung wird den Druck in Richtung emissionsfreier Lastwagen stark erhöhen. Da wird Wasserstoff wieder an Bedeutung gewinnen. Dann sind Sie überzeugt, dass der Wasserstoff eine Zukunft hat? Ja, nicht wegen Wasserstofffahrzeugen, sondern weil wir beim Umbau auf ein regeneratives Stromsystem kaum um Wasserstoff herumkommen werden. Wir hörten und lasen ja in der öffentlichen Diskussion letzten Sommer, dass die Elektrizitätswerke den Photovoltaik-Strom immer weniger vergüten wollen bzw. es wird sogar diskutiert, dass für das Einspeisen dieses Stroms in das Stromnetz etwas bezahlt werden muss. Dies hat mit den Stromüberschüssen, die mit dem Photovoltaik-Ausbau zwangsläufig entstehen, zu tun. Natürlich gibt es auch noch andere Massnahmen auf der Stromnutzungsseite, aber die Produktion von Wasserstoff könnte hier eine wichtige Ergänzung sein. Wie sieht es denn mit der Wasserstoffproduktion in der Schweiz aus – reicht diese aus oder sind wir auf Importe angewiesen? Der Aufbau eines Wasserstoffsystems macht nur Sinn, wenn damit ein minimaler Marktanteil abgedeckt werden kann. Und das müssen sicher deutlich mehr als 1600 Lastwagen sein. Der Import von Wasserstoff ist aufgrund hoher Transportkosten, nicht einfach zu lösenden Abhängigkeiten und regulatorischen Hürden nicht zwangsläufig die einfachere Lösung. Die Bereitstellung von ausreichenden Mengen an Wasserstoff ist allerdings nur eine der Herausforderungen; eine weitere ist die Verteilung, die heute per Lastwagen geschieht, was kaum ein Zukunftsmodell ist. Entweder kann der Wasserstoff in Zukunft dezentral, direkt am Ort der Betankung bzw. Nutzung erzeugt werden, oder es müsste ein Wasserstoffnetz analog dem Gasnetz realisiert werden. Alle diese Optionen haben je ihre Vor- und Nachteile. Wünschbar wäre es, wenn alle Akteure in diesem Bereich – zum Beispiel nach dem Vorbild des Hydrogen Councils in Belgien (vgl. Kasten) – ihre Kräfte bündeln würden. ■ Belgian Hydrogen Council Der Belgian Hydrogen Council (BHC), ein von der Wasserstoffindustrie getragener nationaler Rat, soll Belgiens Position in Europa und auf der Weltbühne als Pionierregion für sauberen Wasserstoff festigen und stärken. Er kümmert sich um die Profilierung und Förderung der belgischen Wasserstoffindustrie im In- und Ausland und die Vertretung des belgischen Wasserstoff-Ökosystems in nationalen und internationalen Foren. Er berät zudem verschiedene belgische politische Entscheidungsträger bei der Umsetzung ihrer regionalen und föderalen Wasserstoffstrategien. Fabienne Reinhard Christian Bach Ein paar Fragen an Christian Bach, Abteilungsleiter Chemische Energieträger und Fahrzeugsysteme bei der Empa

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