Die Chauffeuse Vanja von Allmen ist überzeugt: «Ohne Leidenschaft gehts nicht.» Für die spannende Arbeit mit viel Abwechslung müsse man lange Arbeitstage in Kauf nehmen und flexibel sein. Da ihr Arbeitgeber hauptsächlich für die Landwirtschaft tätig ist, richtet sich der Alltag nach der Jahreszeit und dem Wetter. Und den Zuckerrüben.
In der ländlichen Schweiz sind sie ein bekannter Anblick. Vom Herbst bis in den Winter hinein erheben sich entlang frisch brachliegender Äcker Hunderte von meist länglichen Hügeln aus Zuckerrüben. Abgetragen werden sie von Mäusen – so werden die ausgeklügelten Maschinen genannt, mit denen die Rüben vom Hügel in Traktoren- und Lastwagenanhänger gelangen. In dieser Zuckerrübensaison sind deshalb unzählige Gespanne, beladen mit Zuckerrüben, unterwegs. Sei es vom Feld zum nächsten Bahnhof oder direkt in die Zuckerfabriken von Aarberg oder Frauenfeld. In einem dieser Fahrzeuge sitzt Vanja von Allmen. Sie arbeitet als Chauffeuse und Lohnerin für das Lohnunternehmen Schneeberger & Berger Agrar-Service in Oberbottigen (BE). An der MAN TGX Zugmaschine ist ein Krampe Bandit Rollbandwagen angesattelt.
Mit 40 Tonnen in den Jura
Ein typischer Arbeitstag im Spätherbst beginnt für Vanja von Allmen früh. Abfahrt ist entweder um fünf oder um sechs Uhr, je nachdem ob sie vorgeladen hat oder nicht. Am Tag unserer Reportage ist der Auflieger schon beladen. Um sechs Uhr gehts los in Oberbottigen, das Ziel ist Pleigne im Kanton Jura, weit hinter Delsberg, nahe der französischen Grenze und auf etwa 800 Meter über Meer gelegen. «Wir haben Schnitzel geladen», sagt sie. «Diese entstehen bei der Produktion von Zucker aus Zuckerrüben und sind ein Futtermittel.» Das Ziel ist denn auch ein Bauernhof. Sogar wenn sie keine ganzen Rüben transportiert, geht es an diesem Tag um diese landwirtschaftliche Kulturpflanze, die zu den Fuchsschwanzgewächsen gehört.
Die Bedingungen auf der Strasse sind gut, es hat wenig Verkehr in diese Richtung, der Wintereinbruch ist für den Tag darauf angekündigt. Einzig die Sturmböen in der Nacht zuvor haben ihre Spuren hinterlassen. In die ohnehin schon eher schmale Strasse ragt ein abgebrochener Baum. Vorsichtig steuert Vanja von Allmen ihr Gefährt zwischen Baum und Leitplanke durch, es reicht knapp.
Sie ist die Erste heute auf dem Hof in Pleigne. Sie manövriert rückwärts in die Halle, in der Futter gelagert wird, und beginnt abzuladen. In der Zwischenzeit kommt schon ein nächster Lastwagen mit Futtermittel an, ebenfalls mit Schnitzeln.
Die Gene spielten wohl mit
Es muss ja nicht sein, dass man die berufliche Laufbahn durch familiäre Prägung oder gar Vererbung einschlägt. Bei Vanja von Allmen liegt der Verdacht aber nahe, dass es die Gene waren, die sie zur Chauffeuse werden liessen: «Meine Grossmutter war eine der ersten Frauen in der Schweiz, die das Lastwagen-Billett hatten», sagt sie. «Meine Mutter fährt auch Lastwagen. Die Prüfung hat sie schon lange, dennoch hat sie sich noch dazu entschieden, die Lehre zur Strassentransportfachfrau zu machen, jetzt wo wir Kinder älter sind. Und mein Vater hatte ein Transportunternehmen, mit dem ich aufgewachsen bin und in dem ich viel mitgeholfen habe.»
In der Sekundarschule, sie hatte dort stets gute Noten, ist ihr eine Lehre zur Hochbauzeichnerin empfohlen worden. Strassentransportfachfrau ist doch eher ein Beruf für Realschüler, hiess es. Sie hat aber auf sich gehört. «Ich machte trotzdem noch eine Schnupperlehre als Strassentransportfachfrau», erzählt sie. «Da wurde mir sofort klar, was ich wirklich will. Dann soll man auch das machen, alles andere macht doch keinen Sinn, wenn man nicht mit ganzem Herzen dabei ist.» Allerdings musste sie noch ein Jahr warten, um einen Lehrvertrag zu erhalten. «Ich habe gegen Ende Jahr Geburtstag und war ein paar Tage zu jung», erklärt sie. Das Gesuch ihres Lehrbetriebs Vigier um eine Ausnahme wurde abgelehnt. Nun hätte sie ein zehntes Schuljahr besuchen können. Aber: «Ich hatte keine schulischen Defizite, und eine Lehrstelle hatte ich ja auch, ich durfte einfach noch nicht beginnen.» So ging sie als Au-pair in die Westschweiz und lernte Französisch – etwas, das ihr zugute kommt, wenn sie im Jura oder in anderen Teilen der Romandie unterwegs ist. Letztes Jahr hat sie die Lehre zur Strassentransportfachfrau erfolgreich abgeschlossen und diesen Weg noch keine Sekunde bereut.
Vom Feld in die Fabrik
Noch auf dem Hof in Pleigne erhält sie eine Nachricht mit der Standortangabe eines Felds nicht allzu weit weg, wo sie Zuckerrüben aufladen soll. Über kleine Betonstrassen, nicht breiter als ein Feldweg, fährt sie dorthin. Bald ist es eine ganze Schlange an Traktoren und Lastwagen, die darauf warten, von der Maus beladen zu werden. Vanja von Allmen klettert hinter der Kabine auf den Rand des Rollbandwagens, um den Beladevorgang zu überwachen. Dann schliesst sie das Verdeck und fährt wieder los, diesmal Richtung Aarberg, zur Zuckerfabrik. Dort fährt sie auf die Waage und hält dann kurz in einem Bereich, wo ein Greifarm eine Stichprobe aus ihrer Ladung nimmt. Einige Meter weiter lässt sie die Zuckerrüben aus dem Rollbandwagen rumpeln. Die Fracht vom Acker hinterlässt natürlich Spuren. Deshalb wäscht ihn Vanja von Allmen gründlich aus. «Wir laden nachher gleich wieder Schnitzel, also Tierfutter», sagt sie. «Wir hätten es ja schliesslich auch nicht gerne, wenn unser Essen verschmutzt wäre.»
Nun geht es wieder in den Jura. «Möglicherweise noch zwei Mal heute», vermutet sie. Die verschiedenen Wetterapps sind sich nun einig, dass der Winter definitiv tags darauf ein erstes Mal Einzug halten wird. Der Weg in das hoch gelegene jurassische Dorf Pleigne dürfte mit schwerer Fracht nicht mehr einfach zu bewältigen sein. Tatsächlich entscheidet der Chef, den Teil der geplanten Fuhren von morgen, die von der Lenkzeit her drin liegen, noch heute zu erledigen. «In diesem Beruf hat man eben lange Arbeitstage», hält Vanja von Allmen fest. «Im Landwirtschaftssektor muss man auch sehr flexibel sein, weil sich die Arbeit oft nach dem Wetter richtet. Die freien Tage, um Überstunden abzubauen, ergeben sich meistens kurzfristig. Nur im Januar und Februar läuft eher wenig.» Dafür sei die Arbeit sehr abwechslungsreich – neben den verschiedensten Arbeiten mit dem Lastwagen sei sie manchmal auch mit dem Traktor unterwegs, was ihr auch sehr gut gefalle. Sie empfiehlt den Chauffeurberuf weiter – unter der Voraussetzung, dass man mit Leidenschaft dabei ist. «Ohne Leidenschaft gehts nicht», ist sie überzeugt. Wer Chauffeur werden wolle, weil es «gäbig» sei, den Tag durch nur ein wenig in der Kabine zu sitzen, liege schlicht falsch. Wer aber für den Beruf brenne, der habe zwar eine strenge, aber auch sehr schöne Arbeit mit vielen Möglichkeiten. «Es gibt so viele Branchen, in denen man als Chauffeur tätig sein kann, es ist so ein weites Feld», sagt sie.
Die Temperaturen an diesem Vorabend des Winters sinken nun immer weiter, insbesondere in den Höhen des Juras. Es ist schon stockdunkel, als Vanja von Allmen von der letzten Fuhre zurück in Oberbottigen ist und der wohlverdiente Feierabend beginnt.
Text und Fotos: Daniel von Känel
Die Chauffeuse
Vanja von Allmen (20) ist in Aeschi bei Spiez im Berner Oberland aufgewachsen und wohnt in Lyssach (BE). Nach der Sekundarschule war sie für ein Jahr als Au-pair in der Westschweiz und machte dann die Lehre zur Strassentransportfachfrau EFZ bei der Vigier Beton AG in Wimmis (BE). Nach der Lehre wechselte sie als Chauffeuse und Lohnerin zur Firma Schneeberger & Berger Agrar-Service.
DVK
Der Arbeitgeber
Das Unternehmen Schneeberger & Berger in Oberbottigen (BE) ist in zwei Bereichen tätig, nämlich als Landmaschinenwerkstatt sowie als Lohnunternehmen, das Agrar-Service genannt wird. Letzteres bietet diverse Dienstleistungen wie Getreide- und Maisernte, Silagebergung, Pressen, Güllen, Futterbau oder Streuservice an. Hinzu kommen diverse Kommunaldienstleistungen.
DVK