Beim Unfall mit einem Flixbus auf der Sihlhochstrasse in Zürich vor über sechs Jahren starben der Beifahrer und ein Fahrgast. Der Chauffeur wurde nun verurteilt, das Subunternehmen, das für Flixbus fuhr, nicht. Dieses klagt nun sogar gegen die Schweiz.
Im Jahr 2018 hat in Zürich auf der A3 ein Flixbusfahrer die Ausfahrt auf der Sihlhochstrasse verpasst und fuhr in eine Betonwand. Der Beifahrer und ein Fahrgast starben. Viele können sich an den schrecklichen Unfall erinnern. Das Gericht hat den Chauffeur nun zu zwei Jahren Freiheitsstrafe bedingt verdonnert. Er ist 63-jährig und wird kaum mehr Bus oder Lastwagen fahren. Die Unternehmung Flixbus ist unbehelligt. Es ist nicht gut, dass nicht auch Verantwortliche von Flixbus zur strafrechtlichen Verantwortung gezogen werden. Vor dem Unfall hat der Beifahrer bei Flixbus angerufen, um zu klären, ob die Fahrt bei den widrigen Umständen mit starkem Schneefall nicht besser abgebrochen werden sollte. Flixbus hat befohlen, weiterzufahren. Was genau diskutiert wurde, ist nicht mehr nachvollziehbar. Die Verspätung war wohl vor dem Unfall schon gross genug und die Situation für die Chauffeure eher schlecht. 2018 waren am Autobahnende auf der Sihlbrücke nur ein wenig Signalisation und eine weisse Linie vorhanden, bereits früher sind dort schon Fahrzeuge in die Sihl gefallen. Inzwischen wurden solide Betonabschrankungen aufgestellt.
Mit der Situation überfordert
Man muss sich nicht darüber streiten, was der Chauffeur hätte tun sollen. Ganz klar ist, dass er mit der Situation überfordert war. Er hat die Ausfahrt verpasst und ist in die Betonwand am Brückenende gefahren. Dies geschieht bei Übermüdung, fehlender Aufmerksamkeit oder allgemeiner Überforderung mit dieser Situation. Ist im System Flixbus kein Spielraum und Hilfe bei Problemen, schlägt das voll auf den Chauffeur durch. Der Unfall war abends, es war kalt und keiner wollte noch mehr Verspätungen. Im vollen Bus mit Fahrgästen über Verspätungen zu diskutieren und zu wissen, dass die Firma keinen Rückhalt gibt, ist nicht jedermanns Sache. Der Chauffeur war kurz davor, den Busterminal in Zürich anzufahren.
Bei Flixbus ist nicht klar, wer die Verantwortung trägt. Flixbus versteht sich als Buchungsplattform und mandatiert viele Kleinunternehmen. Entstehen Probleme, müssen die Kleinunternehmer und die Chauffeure herhalten. Seien es Unfälle oder einfach nur Kabotage. Die Unfälle der letzten Jahre sind zahlreich und teilweise auch eher schwer. Es ist bekannt, dass von den Chauffeuren eher die schwächeren bei Flixbus landen – diejenigen, die schlecht bezahlt sind und nirgendwo anders unterkommen. Zudem sind die Arbeitswege oft stundenlang und müssen privat, unbezahlt auf eigene Rechnung bewältigt werden. Die einheimischen Unternehmungen, die versucht haben, für Flixbus zu fahren, haben noch vor der Pandemie wieder aufgegeben oder sind untergegangen. Grundsätzlich gibt es im Schweizer Strassenverkehrsgesetz den Artikel 100, der besagt, wer von einem Chauffeur verlangt, gegen das Gesetz zu verstossen, gehört ebenso bestraft. An sich gilt dies auch, wenn jemand einen Chauffeur ohne klaren Befehl in eine solche Situation bringt und dies stillschweigend erwartet.
Die Zürcher Staatsanwaltschaft sieht das nicht so eng oder hat schlichtweg keine Vorgesetzten gefunden. Im System Flixbus muss der Chauffeur die Suppe auslöffeln. Das Subunternehmen verlangt vom Bund sogar Schadenersatz für den zerstörten Reisecar. Die Sihlhochstrasse sei damals zu wenig gesichert gewesen, macht die Firma geltend und klagt gemäss Tagesanzeiger gegen das ASTRA, also gegen den Bund.
Schlussendlich ist es ein tragischer Fall für die Fahrgäste, die Branche und den Chauffeur: Die Versicherung zahlt den Schaden, der Chauffeur wird gebüsst und gelernt hat einmal mehr niemand nix.
Text: David Piras