Jede Person, die der Begehung einer Straftat beschuldigt wird, hat von Anfang an das Recht, einen Verteidiger beizuziehen; den «Anwalt der ersten Stunde».
Angenommen Sie werden verhaftet und sollen in diesem Zusammenhang von der Polizei einvernommen werden. Wie können Sie in dieser Situation Ihre Rechte als beschuldigte Person wahren? Die Antwort darauf findet sich im Strafprozessrecht. Die Polizei oder die Staatsanwaltschaft müssen die beschuldigte Person zu Beginn der ersten Einvernahme in einer ihr verständlichen Sprache darauf hinweisen, dass gegen sie ein Vorverfahren eingeleitet worden ist und welche Straftaten Gegenstand des Verfahrens bilden. Zudem braucht es die Hinweise, dass sie die Aussage und die Mitwirkung verweigern kann, sie berechtigt ist, eine Verteidigung zu bestellen oder gegebenenfalls eine amtliche Verteidigung zu beantragen und sie eine Übersetzerin oder einen Übersetzer verlangen kann. Ohne diesen Hinweis ist das Ergebnis einer Einvernahme ungültig.
Bei polizeilichen Einvernahmen hat die beschuldigte Person das Recht, dass ihre Verteidigung anwesend sein und Fragen stellen kann. Hier kommt der Anwalt der ersten Stunde zum Zug. Nicht jeder von uns hat einen Anwalt. Und selbst wenn, dann ist er nicht mitten in der Nacht verfügbar. Auf Verlangen muss die Polizei zu jeder Zeit einen Verteidiger bestellen können.
Pikettdienst in jedem Kanton
Hierzu gibt es in jedem Kanton einen Bereitschaftsdienst oder Pikettdienst für Anwälte. Sie sind kantonal oder im Rahmen des Verbandes organisiert und stehen 24 Stunden zur Verfügung. Sie nehmen die erste Verteidigung eines Beschuldigten wahr und begleiten ihn bei der Einvernahme. Diese Anwälte arbeiten natürlich nicht umsonst. Sie werden zum Tarif eines Pflichtverteidigers vom Kanton entschädigt. Im Fall eines Schuldspruchs hat natürlich die verurteilte Person die Kosten im Anschluss zu übernehmen. Der Kanton schiesst das Geld quasi vor.
Nach der Einvernahme mit dem Anwalt der ersten Stunde kann man sich an die Rechtsschutzversicherung wenden. Vorausgesetzt ist natürlich, dass man die entsprechende Deckung hat. Nicht jede Rechtsschutzversicherung deckt Strafrecht und wenn, dann nur in sehr engem Umfang. Die Verteidigung erfolgt dann entweder weiterhin durch den Anwalt der ersten Stunde, der die Kostengutsprache von der Rechtsschutzversicherung erhält, oder dann durch den Anwalt, der von der Rechtsschutzversicherung zur Verfügung gestellt wird. Oftmals kann man den Anwalt wählen.
Auf diese Weise wird die Verteidigung auch in Notfällen gewährleistet. Wir sind nicht alle Rechtsexperten und insbesondere zu Unrecht beschuldigte Menschen haben grosse Mühe bei Einvernahmen durch die Polizei. Der Anwalt der ersten Stunde ist daher ein wichtiges Hilfsmittel für den Beschuldigten im Strafprozess.
Text: Elvedin Mesic
Illustration: Trinco