Die wichtige Arbeit des Nothelfers

Ausgabe-03-2024

Auch die stabile Seitenlage wurde geübt.

Wissen Sie im Notfall sofort, wie man jemand Ohnmächtigen in die stabile Seitenlage bringt oder einen Verletzten aus einem Unfallauto birgt? Oder wie ein «Defi» richtig anzuwenden ist? Oder wie man schnell und effizient einen Druckverband anlegt? Im CZV-Kurs «Erste Hilfe auf der Strasse» lernen Sie es.

Kursleiterin Isabella Ramseier vom Schweizerischen Militär-Sanitäts-Verband, der dem Schweizerischen Roten Kreuz angegliedert ist, wollte aber schon genauer wissen, weshalb die 16 Teilnehmer, davon eine Dame, sich für diesen Kurs eingeschrieben hatten. «Neues dazulernen, Altes auffrischen», so die Antworten im Grossen und Ganzen. «Ich werde hier keinen Frontalunterricht abhalten, sondern Sie einbeziehen, in Gruppenarbeit zum Beispiel», betonte die Kursleiterin. Und definierte auch gleich das Kursziel: «Die Teilnehmer sind am Ende des Tages in der Lage, bei einem Ereignis erweiterte Erste Hilfe zu leisten.»

Sie stellte auch die Gesetzeslage klar, nach der laut Artikel 128 StGB jedermann verpflichtet ist, «so weit zumutbar, Hilfe zu leisten, wenn ein Mensch in unmittelbarer Lebensgefahr schwebt». Nur die wenigsten, seien wir ehrlich, sind nicht zumindest nervös, wenn sie als Erste an einem Unfall eintreffen. Cool zu bleiben, trotz Adrenalinschub, und das Richtige zu tun, ist bei Weitem keine Routine. «Bleiben Sie erstmal stehen und schauen Sie, gewinnen Sie den Überblick, und geben Sie nicht Ihr Leben für die anderen», so die Kursleiterin. «Es gibt immer wieder angefahrene Nothelfer.»

Die Bedeutung der Nothelfer sei nicht zu unterschätzen: «Sie leisten die wichtigste Arbeit bei kleinstem Wissen», schon bevor die Retter eintreffen. Und: Nach der Alarmierung (144) sollte man den Unfallort auf keinen Fall verlassen. Wenn möglich, sollte auch eine Person die Führung übernehmen, beruhigen und Leute einteilen. Das Problem: «Alle haben Stress, auch die Retter.»

Gruppenarbeiten «Theorie»

Das erarbeiteten sich die Teilnehmer in einer Gruppenarbeit «Ampelschema». Rot steht für «Warten und schauen», Gelb für das «Absichern» und Grün für «Handeln». Die Gruppe 2 beschäftigte sich mit der Rettungskette, für die es «viele Neuerungen gibt». Man wolle die Leute mehr befähigen. Zu diesem Zweck wurde der «First Responder» in die Kette eingegliedert, der über das Handy als Erster aufgeboten werde.

Das Meldeschema war Thema der dritten Arbeitsgruppe. Nothelfer geben am Telefon an, wo sich die Unfallstelle befindet, wer am Telefon ist, was passiert ist und wann, wie viele Verletzte es gibt (oder Erkrankte), sowie alle weiteren relevanten Hinweise. Vor allem aber habe sich der Meldende wieder auf die Unfallstelle zurückzubegeben.

Gruppenarbeiten «Praxis»

«Mach mal was, da liegt einer», forderte die Kursleiterin die angehenden «Nothelfer» auf, die um eine Person herumstanden, die scheinbar ohnmächtig und möglicherweise verletzt am Boden lag. Es ging darum, ihn (oder sie) in die Seitenlage zu bringen. «Stellen Sie fest, ob er atmet, ob er Antwort gibt, also Sie hört. Sprechen Sie mit ihm, Bewusstlose hören alles», sagte sie. «Ziehen Sie den Kopf zurück, damit die Atemwege frei werden, und nehmen Sie störende Gegenstände ab, die Brille, den Schlüsselbund zum Beispiel.» Fazit der Übung: Es erwies sich als gar nicht so einfach, die stabile Seitenlage ordentlich hinzubekommen. Ganz ohne Training geht das nicht. Auch zu üben ist die Befreiung einer Person aus einem Unfallfahrzeug: Bergungsgriffe helfen meist, nicht aber bei sehr korpulenten Personen oder bei Personen in einem verunfallten Lastwagen: Da braucht es mehrere Helfer. Wichtig: «Suchen Sie das Fahrzeug penibel ab, es könnte eine weitere Person drin liegen.»

Der «Defi»

Bevor ein Defibrillator verfügbar ist, kommt zunächst die Herzmassage zum Einsatz. Das Reanimieren mit den Händen sei am effizientesten, «immer mehr tun das». Das BLS-AED-Schema nahm grossen Raum im Übungskatalog ein. BLS steht für «Basic Life Support» (lebensrettende Sofortmassnahmen), AED für «Automatische externe Defibrillation». Die Anwendung des Defibrillators ersetzt indes nicht die manuelle Herzmassage und die Mund-zu-Mund-Beatmung. Beide Massnahmen werden kombiniert, «wobei der ‹Defi› Ihnen sagt, was Sie zu tun haben». Damit das funktioniert, müssen zwei Personen die Reanimation (Rea) vornehmen. «Es ist eigentlich einfach.» Nun ja, wenn der Stress nicht wäre. «Versuchen Sie ruhig zu bleiben», sagte Isabelle Ramseier. Wie anstrengend die Herzmassage allein schon ist, stellten die Teilnehmer schnell fest, die schon nach zwei Minuten ausser Atem gerieten. Und der Patient war immer noch nicht «aufgewacht». «Meine allererste Rea», so die Kursleiterin, «ist zwei Stunden lang gegangen.»

Auf dem Kursprogramm standen zudem verschiedene Fallbeispiele – wie man Kreislaufstillstand, Herzinfarkt sowie Schlaganfall bzw. Hirninfarkt unterscheiden und erkennen und was man als Ersthelfer überhaupt tun kann/muss. Was nicht immer klar ist: 25 Prozent der Betroffenen haben zwar dieselben Symptome, aber keinen Hirninfarkt.» Dass bei Alarmierung bzw. Rettung möglichst wenig Zeit verstreichen sollte, liegt auf der Hand. Und dann: «Sofort ins Spital. Aber ausschliesslich mit der Ambulanz!» Da mutete die Abschlussübung, das Verbinden einer stark blutenden Verletzung, geradezu einfach an, und doch: Als der Autor, der wie viele kein Blut sehen kann, zögernd mit dem Druckverband herumfummelte, riss Isabelle ihm das Material aus der Hand, wickelte es unverzüglich um den «verletzten» Unterarm des Opfers. «So geht das. Es muss schnell gehen, da spritzt das Blut!» Fazit des Kurses: Unbedingt zu empfehlen. Vielleicht ihn alle paar Jahre wiederholen, CZV hin oder her.

Text und Fotos: Hans-Peter Steiner

«E-Autos brennen sehr schnell und sind kaum zu löschen»

Elektro-Autos, die zunehmend verunfallen und oft nicht sofort als solche erkennbar seien, bieten Gefahren für Nothelfer und Retter. Zwar sollten sie sich bei einem Unfall automatisch stromfrei schalten. Dennoch bleibe ein Restrisiko: «Leute, seid aufmerksam. Der Notknopf zum Abschalten des Stromes befindet sich nicht einheitlich an leicht zugänglicher Stelle. Da liegen 460 Volt an!» Orangefarbene Kabel oder Bauteile sind auf keinen Fall anzufassen. Die Feuerwehr verfügt deshalb über Schutzhandschuhe, die vor Spannungen bis zu 1000 Volt schützen. Zudem ist die Brandgefahr gross. Weisser Rauch bedeutet, dass die Batterie brennt. «E-Autos brennen sehr schnell und sind kaum zu löschen.» hps