Vom technischen Aufbau sieht man beim Renault Trucks E-Tech T von aussen recht wenig. Das Kühlergitter ist neu und in Fahrzeugfarbe, das Fahrerhaus ist Standard, die Seiten verkleidet, Auspuff und Tankdeckel fehlen und die Fahrzeugdimensionen sind auch nicht anders als bei einer normalen Sattelzugmaschine. Darunter aber fehlt der Dieselmotor. Dafür sind drei E-Motoren mit je 160 kW verbaut. In der Sprache des Diesels entspricht dies rund 650 PS. Die Motoren bringen 2400 Nm und geben dies über ein automatisches 12-Gang-Getriebe an die Hinterachse weiter. Anstelle des Tanks sind zwischen den Achsen beidseitig des Chassis 6 Batterie-Einheiten mit insgesamt 540 kWh verbaut. Auspuff braucht es ja nicht mehr.
Was sind 540 kWh?
Eine Batterie von 540 kWh Nennkapazität kann zu 80 % genutzt werden. Abgerundet ergeben sich 400 kWh. Bei anständiger Fahrweise kann bei einem Sattelzug mit 100 kWh Verbrauch auf 100 km gerechnet werden. Daraus folgt, dass mit einer Batterieladung 400 km gemacht werden können. Im Verteilerverkehr im Inland reicht diese Kapazität in den meisten Fällen, auch wenn die Batterien mit dem Alter etwas schwächer werden.
Wo lohnt sich ein Elektrolastwagen?
Er ist teuer in der Anschaffung. Er kostet aber bis 2030 keine LSVA. Der Verbrauch hängt vom Strompreis ab. Mit den derzeitigen Strompreisen macht das die Hälfte im Vergleich zum Dieselfahrzeug aus. Für einen tiefen Strompreis gibt es keine ewigen Garantien, allerdings gilt dasselbe auch für den Dieselpreis. Vermutlich kommen in Zukunft auch zusätzliche Abgaben als Ersatz für die Treibstoffabgaben dazu. Die Zukunftsentwicklung bei den Kosten ist soweit aber klar – der Staat wird Elektrofahrzeuge auch in Zukunft bevorteilen. Unter dem Strich rechnet sich ein Elektrofahrzeug, wenn man mit der Reichweite klar kommt, es zum günstigen Stromtarif an der eigenen Ladesäule laden kann und ganz wichtig: wenn man möglichst viel und jeden Tag damit fährt.
Wie wird aufgetankt?
Für einen Elektrolastwagen braucht es eine Ladesäule mit viel Leistung. Der beschriebene Renault E-Tech T kann mit 200 kW geladen werden. Damit ist er in 2 bis 2,5 Stunden wieder voll. Eine gute Mittagspause oder ein kompletter Warenumschlag an einer Rampe bringen auch schon fast eine halbe Batterieladung. Dies bedeutet aber, dass die Ladesäulen dort stehen müssen, wo das Fahrzeug steht. Aufgrund der Strompreise stehen sie auch am besten beim eigenen Betrieb. Wer auf der Autobahn und an öffentlichen Ladesäulen aufladen muss, hat verloren. Es ist zu teuer. Allerdings ist 200 kW Anschlussleistung nicht gerade wenig. Für Grossbetriebe geht das relativ locker, Kleinbetriebe werden damit den örtlichen Stromlieferanten wohl kurz erschrecken. Die Elektrizitätswerke werden gefordert.
Wie fährt sich der Renault E-Tech T?
Ganz so, wie er aussieht – auffällig unauffällig. Der Motorenlärm fehlt. Das Radio kann leiser gestellt werden. Der Anzug ist vergleichbar mit einem sehr gut motorisierten Diesel-Lastwagen, ganz entsprechend den Leistungsdaten. Je nachdem, wie man Tempomaten und Fahrprogramme einstellt, holt sich das Fahrzeug beim Bremsen und Bergabfahren über die Fahrmotoren Energie in die Batterien zurück. Die Bremsleistung entspricht gefühlt einem sehr guten Retarder. Die eher hohe Motorleistung braucht es eigentlich nicht unbedingt zum Beschleunigen, sondern eher, um die Energie wieder in die Batterie zurückzubekommen. Die Fussbremse braucht es eigentlich nur noch zum Anhalten, bei Notbremsungen, falls man nicht aufgepasst hat oder falls sich ein Verkehrspartner danebenbenimmt. Das Fahrzeug ist weit entfernt vom Prototypenstatus. Es macht Freude, einen Renault E-Tech T zu fahren. Es ist ruhig, der Anzug ist gut, es klappert nichts, die elektronischen Anzeigen sind tipptopp gemacht. Das Schaltgetriebe benimmt sich sehr unaufdringlich. Dadurch, dass die Elektromotoren sehr einfach und gut mit einem automatisierten Schaltgetriebe abstimmen lassen, sind die Schaltrucke kaum wahrnehmbar. Die Kabine ist sonst bestens bekannt. Sie bietet keinen sinnlosen Luxus, ist aber angenehm, zweckmässig und gut. Einzig die elektronischen Helferlein sind ein wenig nervig. Doch das ist bald überall so. Das fällt natürlich beim ruhigen Fahrzeug mehr auf und lässt sich vielleicht noch etwas herunterregeln.
Leise und nahezu ohne Schaltrucke
Speziell ist das Gefühl beim Anfahren. Kein Lärm, kein Ruck, nichts. Das Fahrzeug schleicht sich in aller Stille vom Platz. Daran muss man sich erst einmal gewöhnen. Beim Beschleunigen bleibt es auch sehr ruhig. Am meisten Geräusche machen die Reifen, nachher kommt das Radio. Selbst Windgeräusche auf der Autobahn halten sich sehr in Grenzen, obwohl sie jetzt stärker auffallen würden. Dies zeigt aber auch die Qualität der Fahrerkabine. Das Kühlergitter ist lackiert. Wozu braucht es überhaupt ein Kühlergitter? Tatsächlich müssen auch bei einem Elektroantrieb gewisse Komponenten gekühlt werden. Bei hohem Leistungsbedarf, bei Schnellladung oder starker Rekuperation fliessen sehr hohe Ströme in den Motoren und auch in anderen Komponenten. Darum ist ein Kühler vorhanden. Der Wirkungsgrad eines Elektroantriebs ist aber trotzdem wesentlich höher als beim Diesel. Es entsteht viel weniger Abwärme. Vielleicht braucht es das Kühlergitter auch, um den Chauffeur nicht zu stark zu erschrecken. Man fühlt sich so eher zu Hause.
Für Schwertransporte, internationalen Langstreckentransport, Kipperbetrieb, Spezialfahrzeuge usw. ist der Elektroantrieb eher schwierig einzusetzen. Machen Fahrzeuge nur wenige Kilometer, lohnt es sich finanziell auch nicht. Im Distributionsverkehr im Inland, mit viel Auf- und Ablad oder Filialbelieferungen im Detailhandel sind Elektrofahrzeuge heute aber problemlos einsetzbar. Bereits jetzt werden 6,5 % aller Neufahrzeuge mit Elektroantrieb verkauft. Als Chauffeure müssen wir uns spätestens jetzt daran gewöhnen. Es gibt auch keinen Grund, sich dagegen zu wehren.
Haben wir genügend Strom?
Oder: Woher kommt die Energie? Auch wenn wir noch für Jahrzehnte Erdöl hätten, es wird laufend schwieriger. Jede mittlere Krise im Nahen Osten hat Einfluss auf den Treibstoffpreis. Das wird in Zukunft nicht besser. Wir haben grosse Diskussionen um CO2-Reduktionen. Auch wenn wir nicht alles glauben, was geschrieben wird, der politische Druck wächst jeden Tag. Zwar entsteht auch Strom nicht von selbst. Auch die Diskussion um Batterierecycling ist noch nicht zu Ende. Diese Technologie hat aber noch viel Entwicklungspotenzial. Für uns ist wichtig, dass wir auch in Zukunft mit dem Lastwagen arbeiten können. Es ist unwichtig, ob er mit Diesel, Wasser oder Strom läuft. Hauptsache er läuft und wir können damit umgehen. Der Renault E-Tech T zeigt, dass es auch ohne Diesel sehr gut funktioniert.
Text: David Piras
Foto: Renault Trucks
Electromobility Days in Lyon (F)
Für Renault Trucks ist die Zukunft elektrisch
Ab 2040 will Renault Trucks nur noch emissionsfreie Nutzfahrzeuge verkaufen, bis 2050 sollen alle Renault Trucks emissionsfrei sein. Der französische Hersteller lud deshalb diesen Sommer zu den Electromobility Days in Lyon (F) ein. Zwar sind auch Bestrebungen bezüglich Brennstoffzellen-Antrieb noch aktuell, aber der reine batterieelektrische Antrieb scheint bei Renault Trucks klar im Vordergrund zu stehen. So sagte Marc Lejeune, Business Intelligence Director bei Renault Trucks, dass Biotreibstoffe vermutlich für die Luft- und Seefahrt gebraucht werden, während grüner Wasserstoff für die Industrie benötigt wird. Auf der Strasse wird wohl der batterieelektrische Antrieb für den Gütertransport sorgen. Schon vor Jahren hat Renault Trucks die leichten und mittelschweren elektrischen Baureihen D und D Wide im Angebot. Bei den leichten Nutzfahrzeugen sind kürzlich die neuesten Generationen E-Tech Trafic und E-Tech Master erschienen. Neu hinzu kommen die beiden schweren Lastwagen E-Tech T und E-Tech C, deren Serienproduktion im Werk von Bourg-en-Bresse angelaufen ist. Dafür hat Renault Trucks in den letzten zwei Jahren 70 Millionen Euro in das Werk investiert – und es soll weiter investiert werden. Im Segment der schweren Lastwagen wird in absehbarer Zeit auch ein T-Modell mit 600 km Reichweite angeboten. Renault Trucks setzt seine E-Trucks übrigens auch selbst ein. Fünf E-Tech T pendeln zwischen dem Achsenwerk in Lyon und der Produktionsstätte in Bourg-en-Bresse. Sie können je 22 Tonnen Material von Lyon zum 80 km entfernten Bourg-en-Bresse transportieren. Bei zwei Hin- und Rückfahrten von 180 km legen sie pro Tag 360 km zurück, pro Jahr sind es 88 000 km. Christophe Deshayes, Senior Vice President bei Renault Trucks Europe, erklärte den Grund für die grossen Investitionen des Unternehmens in neue Antriebstechnologien: «Wir glauben, dass wir an der Dekarbonisierung teilhaben sollten. Wir müssen eine Lösung für die Dekarbonisierung der Logistik anbieten. Wir sehen darin eine einmalige Chance für Renault Trucks, eine andere Position auf den Märkten einzunehmen und unseren Kunden ein komplettes Ökosystem anzubieten, das sie bei der Dekarbonisierung ihres Geschäfts unterstützt. Deshalb investieren wir viel in Ressourcen und Mitarbeiter und eben in das Produkt, damit wir eine Lösung anbieten können.» Das bisherige Resultat der Bemühungen lässt sich sehen: Über 1300 E-Fahrzeuge von Renault Trucks sind bereits auf Europas Strassen unterwegs. Zusammen haben sie schon mehr als 20 Millionen Kilometer zurückgelegt.
Text und Foto: Daniel von Känel