Natürlich gab es an der IAA in Hannover auch neue Dieselfahrzeuge zu sehen. Schliesslich machen sie nach wie vor den grössten Teil aller Nutzfahrzeuge aus, sind vorderhand noch unersetzlich und werden deshalb auch weiterentwickelt und effizienter gemacht. Das Ziel ist jedoch, den Strassenverkehr zu dekarbonisieren. Im Fokus standen vorwiegend Lastwagen mit alternativen Antrieben.
Lösungen für heute
An der IAA fiel schnell auf: Was aus Schweizer Sicht vom Fahrzeugbau geboten werden muss, damit das Transportwesen vom Diesel wegkommt, ist bereits erhältlich. Die Reichweiten der batterieelektrischen Lastwagen sind für viele Einsatzzwecke ausreichend, sie bewähren sich bereits im Alltag, und mit den Langstreckenversionen wie dem Mercedes-Benz eActros 600, der an der IAA zum «International Truck of the Year 2025» ausgezeichnet wurde, ist sogar noch mehr Reichweite drin.
Modulare Batteriesysteme
Ob nun Mercedes-Benz Trucks, MAN, Volvo Trucks, Scania, DAF, Renault Trucks oder IVECO – sie alle haben batterieelektrische Lastwagen im Angebot. In Hannover enthüllte IVECO das schwere S-eWay-Fahrgestell als Weltpremiere. «Die vielseitige und flexible, lokal emissionsfreie Lösung für alle städtischen und regionalen Anforderungen», beschreibt die Marke ihren neuesten Wurf bei den schweren Lastwagen. Für die Vielseitigkeit und Flexibilität sorgen ein modulares Batteriesystem von 280 kWh bis 490 kWh und die grosse Auswahl an Fahrgestelllayouts. Reichweiten von bis zu 400 km liegen somit drin.
IVECO setzt aber bezüglich Nachhaltigkeit nicht nur auf den batterieelektrischen Antrieb. Auch solche, die mit HVO, Biomethan und Wasserstoff gespeist werden können, bietet IVECO an. Will heissen: HVO-taugliche Dieselmotoren, Gaslastwagen und Wasserstoff-Lkw gehören ebenfalls ins Nachhaltigkeitsportfolio von IVECO.
DAF zeigte unter anderem seine XB, XD und XF Electric-Fahrzeuge für Stadt-, Regional- und Langstreckenanwendungen. «Hocheffiziente Antriebsstränge und modulare Batteriepakete für emissionsfreie Reichweiten von bis zu 500 km mit einer einzigen Ladung», verspricht DAF. Übrigens: Alle DAF-Electric-Lastwagen verfügen über LFP-Batterien (Lithium-Eisenphosphat). Diese zeichnen sich insbesondere durch ihre hohe thermische Sicherheit, die Lebensdauer und die Anzahl Ladezyklen aus. Mittlerweile ist auch ihre Energiedichte konkurrenzfähig geworden. Vor allem chinesische Hersteller von E-Fahrzeugen setzen schon länger vorwiegend auf LFP-Batterien, die sich wohl auch im Westen immer mehr durchsetzen werden. Auch der eActros 600 hat diese Batterietechnologie, gekoppelt mit dem E-Achs-Antrieb, an Bord.
Volvo zeigte an der IAA Transportation natürlich die neue Baureihe Volvo FH Aero, die Anfang Jahr vorgestellt wurde. Darunter sind auch elektrisch oder mit Biokraftstoff angetriebene Varianten. Zudem stellte Volvo Trucks die neue E-Achs-Technologie vor. Sie ist laut dem Hersteller «auf die batterie- und brennstoffzellenelektrischen Lkw der nächsten Generation von Volvo» zugeschnitten. Gegenüber dem aktuellen Zentralantrieb bilden bei der E-Achse Motor, Getriebe und Leistungselektronik ein einzelnes Modul. Der Vorteil: Diese Variante ist kompakter, was mehr Platz für Batterien und damit mehr Reichweite ermöglicht. Weiter präsentierte Volvo Trucks den FM Low Entry, der nur mit einem batterieelektrischen Antriebsstrang zu haben ist.
Auf der IAA feierte der MAN eTGL seine Weltpremiere. Mit dem 12-Tonner deckt das Elektro-Portfolio von MAN nun auch den leichten Verteilerverkehr ab. MAN erklärt es so: «Zusammen mit eTGS und eTGX bietet MAN mit dem neuen eTGL nun das komplette Gesamtgewichtsportfolio von zwölf bis 50 Tonnen vollelektrisch an.» Auch MAN wurde, wie Mercedes-Benz Trucks, von der Jury geehrt. Das Unternehmen aus München gewann nämlich den «2025 Innovation Truck Award». Dies aber nicht wegen eines batterieelektrischen Lastwagens, sondern einem, der Wasserstoff verbrennt. Parallel zum Ausbau der Elektromobilität entwickelt MAN nämlich auch Wasserstofftechnologie als ergänzende Lösung für Spezialanwendungen wie Schwertransporte oder Einsätze ohne Ladeinfrastruktur. Der auf der IAA präsentierte Prototyp eines Wasserstoff-Verbrenner-Lkw, der ab 2025 als MAN hTGX in einer Kleinserie von 200 Fahrzeugen an Kunden in Deutschland, den Niederlanden, Norwegen, Island und ausgewählten Ländern ausserhalb Europas ausgeliefert wird, beeindruckte die Jury bezüglich seines innovativen Antriebskonzepts.
Wasserstoff verbrennen will künftig auch Ford Trucks: Der Hersteller, dessen Modellreihe F-MAX seit Kurzem auch offiziell in der Schweiz vertrieben wird, hat mit dem Ecotorq H2 einen Wasserstoff-Reihensechszylinder entwickelt und erfolgreich getestet. «Dieses Aggregat soll in naher Zukunft in den Zugmaschinen von Ford Trucks zum Einsatz kommen», heisst es.
In der Schweiz wohl früher zu sehen sein wird aber ein anderes Fahrzeug: Von der Baureihe F-LINE präsentierte Ford Trucks eine batterieelektrische Variante.
Batterie im Anhänger
Nicht nur Zugfahrzeuge und Motorwagen werden mittlerweile mit einem Antrieb ausgerüstet. An der IAA zeigte das Unternehmen Trailer Dynamics aus Deutschland einen Auflieger, der den Primärantrieb der Sattelzugmaschine unterstützt. Der eTrailer wird mit jeder Sattelzugmaschine mittels Echtzeitsteuerung synchronisiert. Die benötigte Energie für den Zusatzantrieb kommt aus der Traktionsbatterie des Trailers. Das Unternehmen sagt, dass damit eine deutliche Reduzierung des Dieselverbrauchs und der CO2-Emissionen möglich sei. In Kombination mit einer batterieelektrischen Sattelzugmaschine könne eine signifikante Reichweitenerhöhung erzielt werden.
Nicht nur Nutzfahrzeuge
In Hannover waren neben den Fahrzeugherstellern auch viele Unternehmen vertreten, die weitere Produkte für den Transport anboten. So hat beispielsweise der Anhängerbauer Fliegl das Schnellkuppelsystem F-CON entwickelt und an der IAA präsentiert. Damit wird das An- und Abkuppeln der Druckluftleitungen und Kabel erleichtert und die Arbeitssicherheit verbessert. Mit dem seitlich montierten F-CON muss der Fahrer nämlich nicht mehr hinter das Fahrzeug klettern und kann die Anschlüsse neben dem Fahrzeug stehend mit wenigen Handgriffen verbinden.
Viele zukunftstaugliche Innovationen haben die Aussteller in Hannover gezeigt, die den Weg in eine sauberere und sicherere Zukunft des Transports gehen können. Nun ist die Politik am Zug, die dafür sorgen muss, dass die Rahmenbedingungen stimmen. Der batterieelektrische Antrieb zum Beispiel braucht viel Strom und Lademöglichkeiten. Diese Grundinfrastruktur muss geschaffen werden. ■
Text und Fotos: Daniel von Känel