Lastautos mit Baujahr 1933 sind neun Dekaden später eine absolute Rarität. Das gilt ganz besonders für den Saurer 3 BH, den die Transportunternehmerfamilie Mannsbart aus dem niederösterreichischen Gerasdorf bei Wien hegt und pflegt. «Der Lkw hätte nach seiner Ausmusterung und jahrelangen Abstellung eigentlich verschrottet werden sollen», erläutert Gerhard Mannsbart. Das wusste der ausgewiesene Saurer-Experte aber zu verhindern: «Wir haben das Auto zu uns geholt und halten es in einem funktionsfähigen Zustand.»
Markante Optik
Nicht nur wegen der geschwungenen Kotflügel und der freistehenden Scheinwerfer unterscheidet sich der im Saurer-Werk in Wien-Simmering (siehe Infobox) produzierte Zweiachser gravierend von aktuellen Nutzfahrzeugen. Besonders exotisch für heutige Augen mutet das Fahrerhaus an. So findet sich das Lenkrad mit zusätzlichem Drehrad für das Handgas auf der rechten Seite (in Ostösterreich herrschte anders als in den westlichen Bundesländern bis 1938 Linksverkehr). Nicht minder gewöhnungsbedürftig ist die Anordnung der Pedale in der Reihenfolge Gas-Kupplung-Bremse. «Das erfordert eine gewisse Umstellung und vor allem zu Beginn erhöhte Konzentration», erklärt der Unternehmer schmunzelnd. So dürfen neben Gerhard Mannsbart nur sein Vater und sein gleichfalls Oldtimer-begeisterter Sohn Michael den charismatischen Veteranen bewegen.
Geringe Leistung
Der mittels Fünfgang-Schaltung zu bedienende 5,3-Liter-Vierzylinder-Dieselmotor (im österreichischen Bundesland Steiermark gibt es noch einen etwas älteren Saurer mit Benziner) mobilisiert überschaubare 70 PS. Das ist relativ wenig, wenn man bedenkt, dass der Eis-Lkw auch mit Anhänger eingesetzt war. Zudem galt es auch topografisch herausfordernd gelegene Kunden mit Eisblöcken zu beliefern.
Blickfang
Punkto Aufmerksamkeit ist der Saurer jedenfalls weit vorn. «Während der Mittagspause eines Roadster-Clubs haben sich viele der Mitglieder unseren auf dem gleichen Parkplatz stehenden Saurer angeschaut», erinnert sich Gerhard Mannsbart. Einzig für die passende musikalische Begleitung (der Song «Ice Ice Baby» des US-Rappers Vanilla Ice aus dem Jahr 1990 böte sich an) ist der Oldtimer nicht geeignet. Naturgemäss verfügt ein 91 Jahre altes Fahrzeug weder über einen CD-Schacht noch einen USB-Anschluss. ■
Text und Fotos: Andreas W. Dick
Eiskalte Erfolgsstory
1898 wurde die Genossenschaft «Eisfabrik der Approvisionierungs-Gewerbe in Wien» gegründet. Ziel war es, Fleischer, Selcher, Gastwirte und Cafétiers mit Natur- und Kunsteis zu beliefern. Im Jahr 1930 hatte die Kunsteiserzeugung ihren Höhepunkt erreicht. Diese verlor jedoch mit dem Einzug des elektrischen Kühlschranks in jeden Haushalt nach und nach an Bedeutung. 1931 war die Herstellung von Kohlensäure und Trockeneis in das Produktionsprogramm aufgenommen worden. Mit der Einführung neuer Kühltechniken und infolge verbesserter Technologien bei der Getränkeherstellung Ende der 1970er-Jahre wurden beide Produkte nicht mehr in grossem Umfang benötigt. Die Eigenerzeugung wurde eingestellt und nur noch einige Jahre mit diesen Artikeln gehandelt. Bereits in den Jahren 1939 bis 1941 wurde das erste Kühlhaus errichtet, das nach mehreren Umbauten, Erweiterungen und Modernisierungen noch heute in Betrieb ist. Das Unternehmen stieg damit in das Tiefkühlzeitalter ein und eröffnete ein völlig neues Geschäftsfeld, das sich bis heute zum wichtigsten Standbein für das Unternehmen entwickelte. Heute vermieten die Wiener Eisfabriken Tiefkühl- und Kühllagerflächen in einem Temperaturbereich von –30°C bis +6°C und erzeugen Eisblöcke von bis zu einem Meter Seitenlänge.
Andreas W. Dick
Saurer Austria
Die Österreichische Saurerwerke AG, auch bekannt als Saurer-Werke oder Saurer Wien bzw. Saurer Austria, war ein österreichischer Nutzfahrzeughersteller in Wien-Simmering, der von 1906 bis 1969 Lastwagen und Autobusse herstellte. 1906 trat der aus einer Görzer Adelsfamilie (Görz/Gorizia gehört heute zur italienischen Region Friaul-Julisch Venetien) stammende Ing. Alfred von Radio-Radiis in die kurz zuvor von den Ingenieuren Franz Probst, Moritz Schwarzl und Adolf Maschl gegründete Firma Kraftfahrzeug Ges.m.b.H. in Wien-Alsergrund ein und erwarb von der Schweizer Adolph Saurer AG in Arbon die Lizenz zur Lkw-Herstellung, wobei das Schweizer Stammhaus bis 1937 Hauptaktionär blieb. Im Jahr 1959 erwarb die Steyr-Daimler-Puch AG die Aktienmehrheit, die Produktion in Wien wurde nach der gänzlichen Fusion 1969/70 eingestellt. Die letzte Lizenzzahlung an Saurer in Arbon erfolgte 1971.
Quelle: Wikipedia