Astra-Videos sind Beweismittel – Bundesgericht korrigiert Bezirks- und Obergericht

Recht Ausgabe-01-2025

Die Aufnahmen von Kameras des ASTRA an Autobahnen können legale Beweismittel sein.

Das Bezirksgericht Aarau und das Aargauer Obergericht sprachen einen Raser und Drängler frei, weil die Aufnahmen der Verkehrskameras des ASTRA nicht als Beweismittel zugelassen seien. Das Bundesgericht sieht das anders.

Die Krux mit den Videoaufnahmen und dem Daten- und Persönlichkeitsschutz ist bekannt: Kameras können noch so eindeutig ein Vergehen aufzeigen, sie dürfen, je nachdem wie sie entstanden sind oder wie schwer die Art des Vergehens ist, nicht verwendet werden. So sind schon chronische Falschparker oder Rettungsgassen-Schmarotzer ohne Strafe davongekommen. Mehr noch: Den Urhebern der Aufnahmen droht sogar ihrerseits ein Verfahren, weil sie illegal vorgegangen sind. Das zweifelsohne wichtige Argument des Persönlichkeitsschutzes kann, als Schattenseite dessen, in Täterschutz ausarten.

Kürzlich aber hat das Bundesgericht einen bemerkenswerten Entscheid gefällt. Dabei ging es nicht etwa um private Dashcam-Aufnahmen, sondern um solche, die von Verkehrskameras des ASTRA stammen und halfen, folgendes Vergehen zu beweisen: Ein Autolenker fuhr auf der A1 in Richtung Bern durch den Aargau, ohne Fahrzeugausweis. Eine Fahrzeuggruppe überholte er, indem er von der Überhol- auf die Normalspur wechselte und die Geschwindigkeit erhöhte. Danach wechselte er wieder auf die Überholspur, er hatte also rechts überholt. Auf der Überholspur wurde er dann zum Drängler: Er folgte dem vor ihm fahrenden Auto über eine Distanz von 222 Metern mit einem Abstand von nur sieben bis acht Metern, bei einer Geschwindigkeit von mindestens 90 km/h. Etwas später überschritt er die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h um 49 km/h.

Obergericht: «Nicht verwertbar»

Die Staatsanwaltschaft Aarau-Lenzburg sprach den Lenker im Juli 2021 der mehrfachen groben Verletzung der Verkehrsregeln sowie des Nichtmitführens des Fahrzeugausweises schuldig. Der Beschuldigte wehrte sich aber – vorerst mit Erfolg. Das Bezirksgericht Aarau und später das Obergericht sprachen den Mann nämlich frei.

Diese beiden Gerichte stellten sich auf den Standpunkt, dass die Aufnahmen von Verkehrsüberwachungskameras, die die Gesetzesverstösse des Lenkers zeigen, nicht verwertbar sind. Es bestehe für die Erstellung und Weitergabe der Aufnahmen keine gesetzliche Grundlage, behaupteten sie.

Argument Verkehrssicherheit

Das Bundesgericht korrigierte diese Behauptung: Die bildliche Verkehrserfassung auf Nationalstrassen diene ausdrücklich auch der Verkehrssicherheit, sagt es. Diese lasse sich aber nur gewährleisten, wenn bildlich festgehaltene Verkehrsregelverstösse auch Konsequenzen hätten – also in einem Strafverfahren geahndet werden könnten. Die Weitergabe der, gestützt auf das Strassenverkehrsgesetz rechtmässig erfassten, Bilddaten im Rahmen eines Strafverfahrens sei daher vom mit der Erfassung beabsichtigten Zweck «zumindest implizit» vorgesehen. Es besteht zwar die Regelung, dass bei der bildlichen Erfassung der Nationalstrasseninfrastruktur anfallende Personendaten nicht personenbezogen ausgewertet werden dürfen. Doch diese Regelung gelte nur für jene Daten, die der Aufgabenerfüllung des ASTRA dienen. Auf die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden habe diese Regelung keine Gültigkeit.

Das Bundesgericht hält fest: Wer am Strassenverkehr, insbesondere auf Nationalstrassen, teilnimmt, muss damit rechnen, dass er respektive sein Fahrzeug von Verkehrskameras bildlich erfasst wird und dass die Daten in einem Strafverfahren, das mit dem Verkehr beziehungsweise der Strassenverkehrsordnung im Zusammenhang steht, verwendet werden können.

Was das Bundesgericht dazu auch noch schrieb: «Die Behörden des Bundes und der Kantone sind zur Rechtshilfe verpflichtet, wenn Straftaten nach Bundesrecht verfolgt und beurteilt werden. Diese Rechtshilfe ist vorbehaltlos zu gewähren.» Diese klare Ansage zeigt, dass der Spielraum für Täterschutz innerhalb der Daten- und Persönlichkeitsschutzdebatte eben doch nicht beliebig gross ist.

Text: Daniel von Känel 
Foto: ASTRA