Der Verkehr nimmt zu und wird dies wohl auch langfristig tun. Das Bevölkerungswachstum, das hohe Mobilitätsbedürfnis und die Nachfrage nach Dienstleistungen aller Art sorgen dafür, dass die Strassenflächen immer stärker genutzt werden. So steigen auch die Ansprüche der verschiedenen Verkehrsteilnehmenden, möglichst viel von dieser Fläche nutzen zu können. Vor allem in Städten, in diesen sehr dicht besiedelten Räumen, braucht es neue Verkehrskonzepte. Ein Ansatz dazu ist, den sogenannten Wirtschaftsverkehr dem privaten Verkehr vorzuziehen. Vor gut drei Jahren schon veröffentlichte das Bundesamt für Raumentwicklung ARE eine Grundlagenstudie, um zu definieren, was der Wirtschaftsverkehr ist und was er zum gesamten Verkehrsaufkommen beiträgt (siehe Kasten). Die Studie wollte Fakten schaffen, auch hinsichtlich der künftigen Gestaltung des Verkehrs, in der beispielsweise der notwendige vor dem vermeidbaren Verkehr priorisiert werden könnte.
Die Stadt Bern will nun eben diese Priorisierung prüfen. Der einjährige Versuch soll im Sommer 2025 starten und umfasst mehrere Verkehrserleichterungen für ausgewählte Fahrzeuge. In einer Medienmitteilung gab die Stadt Bern Details des Pilotversuchs bekannt:
Bevorrechtigung auf der Monbijoubrücke:
Fahrzeuge mit Ausnahmebewilligungen dürfen künftig die Busspur auf der Monbijoubrücke in beide Fahrtrichtungen nutzen. Dadurch soll der Verkehrsfluss für diese Fahrzeuge verbessert werden.
Zufahrtsregelung zur Altstadt:
Fahrzeuge mit Sondergenehmigung können aus der nördlichen Altstadt direkt in Richtung Bahnhofplatz abbiegen. Dies erleichtert die Logistik und spart Zeit.
Teilnahmeberechtigung:
Nur Unternehmen, deren Fahrzeuge betriebsbedingt notwendig sind, können eine Ausnahmebewilligung beantragen. Dazu gehören beispielsweise Logistikunternehmen, Handwerksbetriebe, Wartungsdienste und medizinische Versorgungsdienste.
Genehmigungen und Finanzierung:
Der Gemeinderat hat eine Verordnung für den Pilotversuch verabschiedet und dafür einen Kredit von 300 000 Franken bewilligt.
Überwachung und Evaluierung:
Während des Versuchszeitraums wird der Verkehr beobachtet, um sicherzustellen, dass es zu keinen Beeinträchtigungen für den öffentlichen Verkehr sowie für den Fuss- und Veloverkehr kommt. Die Ergebnisse werden als Entscheidungsgrundlage für zukünftige Ausnahmeregelungen dienen.
Der Pilotversuch steht im Kontext des Projekts «Zukunft Bahnhof Bern» (ZBB), das sich auf die Neugestaltung und Optimierung des Verkehrs im Bereich des Bahnhofs konzentriert. Die Erkenntnisse sollen helfen, langfristige Verkehrsstrategien zu entwickeln. Ziel ist eine nachhaltige und effektive Verkehrslösung, die den Wirtschaftsverkehr unterstützt und gleichzeitig den städtischen Verkehr entlastet.
Text: Daniel von Känel
Foto: Wikimedia commons/Jag9889
Wirtschaftsverkehr rückt positiv in den Fokus
Die Grundlagenstudie des Bundes zur Thematik des Wirtschaftsverkehrs wurde Ende 2021 veröffentlicht und «beleuchtet eine essenzielle Komponente der Schweizer Wirtschaft und Gesellschaft: den Transport von Gütern und Personen zu geschäftlichen und dienstlichen Zwecken.» Der Nutzen des Wirtschaftsverkehrs wird in der Studie hervorgehoben: «Diese Transporte sichern die tägliche Versorgung der Bevölkerung, etwa durch aufgefüllte Supermarktregale, Müllentsorgung und die Zustellung von Online-Bestellungen.» Gleichzeitig bringe der Wirtschaftsverkehr erhebliche Herausforderungen mit sich, da er die Verkehrsnetze belaste und gesellschaftliche sowie ökologische Auswirkungen habe. Besonders stark betroffen seien urbane Räume und deren Verkehrsinfrastruktur, die zunehmend an ihre Kapazitätsgrenzen stiessen. «Hier teilen sich Fussgänger, Trams, Lieferfahrzeuge und andere Verkehrsteilnehmer den begrenzten Strassenraum, was die Situation weiter verschärft», heisst es. Ein verstärkender Faktor sei der gesellschaftliche und technologische Wandel, etwa der wachsende Online-Handel, der die Anforderungen an die Ver- und Entsorgung in städtischen Gebieten erhöhe. «Bisher fehlte jedoch eine klare Definition und Systematisierung des Wirtschaftsverkehrs. Um dies zu ändern, hat das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) zusammen mit weiteren Bundesämtern eine umfassende Studie erstellt», so die Begründung für die Studie. Diese zeige auf, dass ein intensiverer Dialog zwischen Behörden und Wirtschaft notwendig sei, um etwa über eine mögliche Steuerung oder Priorisierung des Wirtschaftsverkehrs zu diskutieren. Ziel sei es, den Verkehrsfluss zu verbessern und die Funktionsfähigkeit dieses Bereichs langfristig zu sichern. Die Studie legte den Schwerpunkt auf den Wirtschaftsverkehr auf der Strasse, da die Schiene in urbanen Räumen nur eine begrenzte Rolle spielt. Der Begriff Wirtschaftsverkehr umfasst dabei den geschäftlich und dienstlich motivierten Transport von Gütern und Personen, wobei insbesondere Ver- und Entsorgungsdienstleistungen im Handel, Gewerbe, der Industrie und dem öffentlichen Sektor betrachtet wurden. Nicht eingeschlossen waren Fahrten von Arbeitnehmern zum Arbeitsplatz. Der Wirtschaftsverkehr gliedert sich in den Güter- und Personenwirtschaftsverkehr sowie den Dienstleistungsverkehr, zu dem Lieferfahrzeuge von Logistikunternehmen, Handwerksbetriebe, Taxis und Kurierdienste gehören. Insgesamt macht der Wirtschaftsverkehr laut der Studie etwa 16,5 Prozent des Strassenverkehrs in der Schweiz aus. Der Bund plant, gezielte Massnahmen zu ergreifen, um ein besseres Funktionieren des Wirtschaftsverkehrs zu gewährleisten. Die Studie bildet eine wichtige Grundlage dazu.
DVK