Problem im System – Schienengüterverkehr am Gotthard

Verkehr und Infrastruktur Ausgabe-03-2025

Räder und Bremsen von Güterwagen stehen derzeit im Fokus von Sicherheitsfachleuten.

Ein am 10. August 2023 entgleister Güterzug im Gotthard-Basistunnel hatte den alpenquerenden Güterverkehr für über ein Jahr stark beeinträchtigt. Unter anderem sprangen Lastwagen ein. Das Szenario könnte sich jederzeit wiederholen, wie ein Bericht zeigt.

Am 10. August 2023 ereignete sich im Gotthard-Basistunnel ein schwerer Unfall: Ein Güterzug entgleiste wegen eines gebrochenen Rads. Der Vorfall führte zu Schäden am Tunnel, die beseitigt werden mussten. Es dauerte über ein Jahr, bis der Tunnel wieder vollständig betriebsbereit war. Der Bahnverkehr zwischen der Deutschschweiz und dem Tessin war massiv beeinträchtigt. Güterzüge wurden, sofern möglich, umgeleitet. Einige Güter, vor allem für den Binnenverkehr, wurden mit Lastwagen transportiert.

Nun wurde ein vertraulicher Bericht der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle SUST zum Ereignis publik. Dieser legt nahe, dass der Unfall nicht auf einen einzelnen Defekt zurückzuführen ist, sondern auf ein systematisches Problem im Schienengüterverkehr hindeutet. Die Untersuchung ergab nämlich, dass alle Räder des betroffenen Wagens Rissmerkmale aufwiesen – auch jene Räder, die deutlich neuer waren als jenes, das schliesslich brach. Diese Risse entstehen durch Überhitzung, die auftritt, wenn die Bremsen nicht vollständig gelöst sind.

Nicht auf die Schweiz beschränkt

Nach dem Unfall wurden zudem europaweit 77 weitere Fälle von solchen Rissen festgestellt. In 10 Fällen war das Rad bereits vollständig gebrochen. Diese Häufung deutet klar auf ein weitreichendes Sicherheitsproblem hin, das nicht auf die Schweiz beschränkt ist. Der Bericht nennt systematische Bremsprobleme bei Güterzügen als zentrale Ursache für die festgestellten Risse und Brüche. Veraltete Klotzbremsen, höhere Geschwindigkeiten und moderne Bremsklötze aus Verbundstoff, die Wärme schlechter ableiten, tragen zu diesem Risiko bei. Brisant: Trotz dieser Veränderungen wurden die Wartungsvorschriften nicht entsprechend angepasst, was die Gefahr von Radbrüchen erhöht.

Diverse Experten warnen vor der Möglichkeit weiterer Unfälle mit potenziell katastrophalen Folgen. Sie betonen, dass das derzeitige Bremssystem in den meisten Güterwagen ein erhebliches Risiko darstellt, und fordern dringende Massnahmen zur Verbesserung der Sicherheit. Es braucht eine umfassende Überprüfung und Modernisierung der Bremssysteme in Güterwagen mit dem Ziel, die Sicherheit im Schienengüterverkehr zu erhöhen und das Risiko ähnlicher Unfälle in Zukunft zu minimieren.

Text: Daniel von Känel 
Foto: SBB CFF FFS

 

Der Unfall

Beim Eisenbahnunfall im Gotthard-Basistunnel entgleiste am 10. August 2023 ein Güterzug aufgrund eines Radbruchs im Gotthard-Basistunnel. Wegen der Schäden am Bauwerk war der Tunnel für knapp zwei Wochen komplett gesperrt. Danach wurde zunächst der Güter- und ab 29. September 2023 auch der Personenverkehr schrittweise wieder aufgenommen. Seit Anfang September 2024 ist der Normalbetrieb wieder gewährleistet. Rund sieben Kilometer Gleis sowie 20 000 Schwellen, zwei Weichen und ein Spurwechseltor mussten ersetzt werden.   DVK