Augenmass oder Ausbauwahn? – Der Ausbau des Nationalstrassennetzes muss vors Volk

Verkehr und Infrastruktur Ausgabe-04-2024

Nadelöhre vor allem auf der A1 machen Chauffeuren zu schaffen. Die Ausbauschritte sind notwendig.

Unter Federführung des VCS haben sich 29 linksgrüne Gruppierungen zusammengeschlossen und das Referendum zu den Ausbauschritten des Nationalstrassennetzes ergriffen. Diese wurden vom Parlament bereits deutlich angenommen, kommen nun aber voraussichtlich im Herbst vors Volk.

Im «Ausbauschritt 2023 für die Nationalstrassen» hat der Bundesrat die Marschrichtung beim Autobahnausbau vorgelegt und das Parlament hat diese regional leicht erweitert. Bestens bekannte Nadelöhre an den grossen Transitwegen sind in der Vorlage enthalten. Es handelt sich um die Projekte N1 Wankdorf–Schönbühl (BE), N1 Schönbühl–Kirchberg (BE), N1 3. Röhre Rosenberg-tunnel (inkl. Spange Güterbahnhof) (SG), N1 Le Vengeron–Coppet–Nyon (VD), N2 Rheintunnel (BS/BL) sowie N4 2. Röhre Fäsenstaubtunnel (SH). Strecken also, die oft mit einem mindestens zeitweise gültigen Lastwagenüberholverbot belegt sind.

Die veranschlagten Kosten von 5,3 Mia. Franken werden dem zweckgebundenen Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds (NAF) entnommen, sodass die Projekte vom Strassenverkehr eigenfinanziert sind und die Bundeskasse nicht zusätzlich belasten. Da es sich um Ausbau- und nicht um Neubauprojekte handelt, sind auch der Flächenbedarf und die Umweltbelastung vergleichsweise gering. Bei den Spurerweiterungen zwischen Bern-Schönbühl/Schönbühl-Kirchberg und dem Projekt in der Waadt ist ein gewisser Flächenverbrauch jedoch unvermeidbar. Bei den anderen drei Vorhaben handelt es sich um Tunnelbauten, sodass kaum Land verbraucht wird. Laut Kosten-Nutzen-Analyse des Bundes überwiegen die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen: «Der Ausbauschritt 2023 unterstützt eine nachhaltige Entwicklung», hält der Bund fest.

Staus vermeiden

Die Gegner der Vorlage wollen lieber direkter in den Klimaschutz investieren und die dringend nötige Entlastung des Verkehrsnetzes verhindern. Fakt ist aber, dass die Umwelt auch durch die Vermeidung von Staus weniger belastet wird. Der Güterverkehr hat in den Jahren 2000 bis 2022 um 19 % auf knapp 28 Mrd. Tonnenkilometer zugenommen. «62 % der Verkehrsleistungen im Landverkehr wurden 2022 von Strassenfahrzeugen geleistet, 38 % von der Bahn. Im alpenquerenden Güterverkehr lag der Schienenanteil mit 74 % deutlich höher», schreibt das Bundesamt für Statistik (BFS) auf seiner Website. Spitzenreiter bei den Staus ist laut ASTRA die N1 mit absolut gesehen über 10 000 Staustunden. Hier zeigt der Ausbauschritt 2023 einen wirkungsvollen Lösungsansatz, weil vier der insgesamt sechs Projekte die N1 betreffen.

Ja zum Augenmass

«Die sechs ausgewählten Projekte sind regional ausgewogen, konzentrieren sich auf besonders stark belastete Streckenabschnitte und ermöglichen dort dringend benötigte Engpassbeseitigungen», schreibt die Konferenz der Kantonsregierungen. In der Abstimmung des Nationalrates wurde die Vorlage mit 192:0 einstimmig angenommen. Der Ständerat folgte dem Nationalrat mit 33:6 bei 5 Enthaltungen.

In den nächsten Wochen werden sich die Parteien und Interessenten mit der Parolenfassung zur Vorlage befassen. Les Routiers Suisses ist für Augenmass und befürwortet die Vorlage klar.

Text und Fotos: Robert Hugentobler