Der 56-jährige Chauffeur Franco Minikus aus Raperswilen (TG) präsidiert die Sektion Thurgau von Les Routiers Suisses und fährt Kippsattel beim Winterthurer Unternehmen Toggenburger. Auf seinen Arbeitgeber konnte er auch zählen, als er sich nach einem schweren Motorradunfall wieder zurück in den Chauffeurberuf kämpfen musste.
Die Mulde des Aufliegers ist gefüllt mit Aushubmaterial. «Es kommt nach Biberist (SO) in ein Zwischenlager von Vigier, das sich auf dem Areal der ehemaligen Papierfabrik befindet», sagt Franco Minikus, als er den Scania auf der A1 in Richtung Westen steuert. «Ich konnte gestern vorladen, dann bin ich jeweils früh unterwegs.» Abfahrt war kurz nach fünf Uhr am Toggenburger-Standort in Frauenfeld. Seit drei Jahren ist Franco Minikus Präsident der Sektion Thurgau von Les Routiers Suisses, Chauffeur natürlich schon viel länger. «Ich wollte ursprünglich Lastwagenmechaniker lernen, bei Saurer in Arbon», erzählt er. «Saurer stand aber schon kurz vor dem Aus und bot keine Lehrstellen mehr an.» So machte er eine Lehre als Bauspengler und begann gleich danach, als Chauffeur zu arbeiten. Zuerst fuhr er Kipper in einem Zweimannbetrieb für die Firma Toggenburger in Winterthur. Da sein Chef nach kurzer Zeit auswanderte, bot sich die Möglichkeit an, ein erstes Mal bei der Firma Toggenburger als Chauffeur auf einem Kippanhängerzug zu fahren. Nachdem Bausektor wechselte er in den nationalen Stückguttransport. Mit seinem Vater kaufte er sich dann seinen ersten Lkw. Da dieser leider viel zu früh verstarb, fuhr er als Selbstfahrer für diverse Speditionen im internationalen Fernverkehr. «Ich bin mit diesem Business aufgewachsen», sagt er. «Meine Mutter führte ein Restaurant in Kreuzlingen und mein Vater hatte ein kleines Transportunternehmen.» Sein Weg führte ihn 2001 zurück zu Toggenburger, wo er drei Jahre mit Mulden- und Hakengerätfahrzeugen unterwegs war. Danach wechselte er in die Betonabteilung. Während 17 Jahren war er dort zuerst mit einem 4-Achser und dann, als die ersten 5-Achs Fahrmischer in den Betrieb kamen, mit einem solchen unterwegs. 14 Jahre davon war er als Praxisbildner in der Lehrlingsausbildung der Strassentransportfachleute tätig. «Der Nachwuchs für unsere Branche ist mir wichtig», sagt er. «Ich selber habe auch drei Kinder und der Jüngste lernt auch den Beruf des Chauffeurs. Sie sind unsere Zukunft.»
Der verhängnisvolle Sonntag
In Biberist lenkt Franco Minikus den Lastwagen durch das riesige Areal der Papierfabrik, die heute von verschiedensten Unternehmen genutzt wird, so auch vom Baustoffspezialisten Vigier. Bevor er das Aushubmaterial ablädt, fährt er auf die Waage. «Ich führe oft Komponenten für Betonwerke oder Aushubmaterial», sagt er. Manchmal hole er auch belastetes Material ab, das bei der Sanierung von Schiessständen entstehe. «So komme ich zu den Schützenhäusern, das gibt auch Abwechslung.»
Dass er heute Kippsattel fährt, hängt mit dem «verhängnisvollen Sonntag» vor zwei Jahren zusammen, wie er sagt. Er war mit seinem Sohn als Sozius auf einer Motorradtour, die eigentlich nach dem Grimselpass über den Furkapass führen sollte. Weil diese Route wegen eines Unfalls gesperrt war, planten sie die Tour um und fuhren schliesslich über den Oberalppass. Sie hatten einen Sattelschlepper, der für einen Eventorganisator unterwegs war und deshalb auch am Sonntag fuhr, vor sich. «Erst als ich auf einer geraden Strecke gute Sicht hatte, setzte ich zum Überholen an», erinnert sich Franco Minikus. Doch die ganze Sorgfalt nützte nichts. Der Sattelschlepper scherte ohne Grund auf die Gegenfahrbahn aus. «Mein Sohn fiel auf die Strasse, er kam mit einem Schock davon. Ich geriet mit dem Motorrad auf die Steinmauer, fiel zurück auf die Strasse und das Motorrad auf mich.» Ein Wohnmobilfahrer, ein ehemaliger Chauffeur, hatte alles beobachtet und konnte genau rapportieren. «Es gab für mich nicht die geringste Strafe oder Sanktion, ich war vollständig unschuldig», sagt Franco Minikus. Aber: «Der fünfte und siebte Halswirbel waren gebrochen, acht Wirbel sind nun versteift, und die linke Schulter ist auch neu.» Es folgte ein zwölfwöchiger Reha-Aufenthalt.
«Auf uns kannst Du zählen»
Obwohl anfänglich noch nicht klar war, wie es beruflich weitergeht, hat er von seinem Vorgesetzten und der Personalabteilung von Toggenburger einen motivierenden Bescheid erhalten: «Auf uns kannst Du zählen, egal wie es herauskommt, für dich haben wir sicher eine Lösung. Das war sehr wertvoll und wichtig für mich.» Es stellte sich heraus, dass er die Arbeit mit dem Fahrmischer nicht mehr machen konnte, weil sie körperlich manchmal zu viel erfordert. So stieg er mit einem 30 Prozent Pensum wieder in den Beruf ein, am Steuer eines Kippsattels. Sein jetziges Fahrzeug wurde extra für ihn mit einer Schlafkabine ausgerüstet. «So kann ich mich in den Pausen hinlegen, um mich zu entspannen vom langen sitzen.», erklärt er. Dieses Extra habe die IV mit einer einmaligen Zahlung mitfinanziert, als Beitrag für die Reintegration. Diese hat offenkundig geklappt. «Ich bin jetzt auf 80 Prozent und bin total happy, dass ich wieder so weit bin und weiterhin als Chauffeur arbeiten darf», sagt er. «Immerhin habe ich noch neun Jahre bis zur Pension.»
Auf dem Rückweg von Biberist läuft es gut, Stau hat es in Gegenrichtung. Doch egal wie die Bedingungen sind: «Man muss einfach akzeptieren so wie es läuft, alles andere hilft nicht. Besser wird es ohnehin nicht mehr mit dem Verkehr.»
Text und Fotos: Daniel von Känel